Nachstehend ist die Haushaltsrede vom 24.01.2023 im Balinger Gemeinderat eingestellt
Freie Wähler im Balinger Gemeinderat
Verabschiedung des Haushalts 2023
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Reitemann,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Verrengia,
sehr geehrter Herr Dezernent Wagner,
sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung und des Gemeinderates,
liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
„Das Sichere ist nicht sicher. So, wie es ist, bleibt es nicht.“ Wie wahr klingen heute wieder diese Worte von Bertold Brecht!
Seit Jahren folgt eine Krise auf die nächste und als wir fast das Gefühl hatten, aus diesem Dauerkrisen-Modus mit Corona wieder in eine ersehnte Normalität zurückkehren zu können, hat der russische Angriffskrieg auf die Ukraine uns tief erschüttert und die Auswirkungen treffen uns mit bislang unvorstellbaren Folgen.
Eine historisch hohe Inflation, Preissteigerungen überall verbunden mit der Furcht vor einer Rezession, in diesem Krisenmodus geht Balingen in ein neues Haushaltsjahr 2023 mit vielen Unsicherheiten.
Uns alle bewegen bange Frage: Wie geht es mit unserer Energieversorgung weiter? Haben wir ausreichende Energievorräte? Gelingt uns zeitnah die Energiewende und welche Kosten kommen auf uns zu?
Wir sind gut beraten, besonnen zu bleiben. Angst- oder Panikmache waren noch nie gute Ratgeber in Krisenzeiten und für Zukunftsentscheidungen.
Bei aller Vorsicht benötigen wir Zuversicht und Optimismus und den Glauben an unsere wirtschaftliche Stärke, Innovationskraft und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Unsere Verwaltung ist inzwischen wahrlich krisenerprobt und hat einen umfangreichen Maßnahmenkatalog erstellt um Energie einzusparen, bisher mit Augenmaß und gutem Erfolg.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ein großes Ereignis für die Stadt Balingen befindet sich auf der Zielgeraden, die Gartenschau, welche am 05.Mai 2023 eröffnet wird. Jahrelange Planungen sind vorausgegangen, viele kleine und große Bauprojekte wurden umgesetzt. Die Zeit der Umleitungen und innerstädtischen Baustellen geht zu Ende. Die neuen Konturen werden klarer. Das schon heute freundliche und über unsere Stadtgrenzen hinaus beliebte Gesicht unserer Stadt wird noch attraktiver.
Natürlich haben die vielen Krisen sich auch auf den Finanzplan der Gartenschau ausgewirkt. Viele Baumaßnahmen haben sich dadurch verteuert.
Aber wie sagt man, „unter dem Strich wird zusammengezählt“. Der entstandene Mehrwert für Balingen hat sich gelohnt.
Die Zahl der vielen ehrenamtlichen Helfer, welche sich bis jetzt bereits gemeldet haben, um Aufgaben auf der Gartenschau zu übernehmen, ist einmalig und beeindruckend. Diesen Gartenschaubotschaftern gilt unser herzlicher Dank. Allerdings gilt auch: Die entstandenen Anlagen müssen auf Dauer gepflegt und erhalten werden. Dazu ist es notwendig, unseren Bauhof für diese zusätzlichen Aufgaben zu stärken und auszurüsten.
Meine Damen und Herren,
ein weiterer wichtiger Punkt in unserem Haushalt ist erneut die Schaffung von zusätzlichen Kita-Plätzen. Dafür sind in den kommenden Jahren hohe Investitionen und zusätzliche Stellen erforderlich. Damit tragen wir dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung. Angesichts des Fachkräftemangels in allen Bereichen müssen Familie und Beruf bestmöglich zu vereinbaren sein.
Ebenso beschäftigt uns natürlich der Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung an den Grundschulen ab den Jahren 2026/2027.
Schon jetzt muss dafür die entsprechende Infrastruktur geschaffen und zusätzlich viel Geld in die Hand genommen werden, was den städtischen Gesamthaushalt zusätzlich mit vielen Millionen Euro belasten wird.
Meine Damen und Herren,
wie bereits in unserer letzten Haushaltsrede genannt, haben wir als Gremium gemeinsam mit der Verwaltung viele Aufgaben zu bewältigen. Dies schaffen wir nur, wenn wir weiterhin in bewährter Weise an einem Strang ziehen.
Hier ist eine schlagkräftige Verwaltungsmannschaft unumgänglich. Hohe Steigerungen in den Personalaufwendungen in unserem Haushalt spiegeln die zusätzlichen Aufgaben der Kommunen und der Erwartungshaltung der Bürger wieder.
Dennoch gilt es hier ein wachsames Auge zu haben, damit diese Kosten nicht aus dem Ruder laufen und unseren Investitionsspielraum weiter einengen.
Wie in fast allen Berufssparten nimmt die Komplexität der Aufgaben zu, Flexibilität und Veränderungsbereitschaft werden in Zukunft auch im Verwaltungsbereich einen deutlich höheren Stellenwert einnehmen müssen.
Darum ist es auch wichtig, dass wir die Digitalisierung der Verwaltung mit hoher Priorität voranbringen um hier eine Entlastung zu schaffen, für die Mitarbeiter, aber auch für unsere Bürger und Unternehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
bereits in den letzten Jahren haben wir zum Thema Stadtentwicklung und günstigem Wohnraum angeregt, dass Verwaltung und Gemeinderat sich intensiv Gedanken machen sollten bezüglich einem Eigenbetrieb Stadtbau und Konzeptvergaben auf städtischen Grundstücken mit entsprechender Quartiersentwicklung und Verpflichtung zur Schaffung von günstigem Wohnraum.
Verstärkend dazu kommt für uns dieses Jahr die Rolle des Flächenmanagers in den Fokus. Wir sehen in der Funktion des Flächenmanagers die Schlüsselfigur, die sich um Schaffung von Wohnraum, Erweiterung von Wohnraum und auch um die Nutzung von brachliegenden Nutz- und Wohnflächen kümmert. Es ist Chance und Aufwand zugleich. Nachhaltigkeit beginnt hier mit der Nutzung von bereits erschlossenen Flächen innerhalb der gewachsenen Bebauung. Wir werden hierzu einen entsprechenden Antrag formulieren.
Gleiche Beständigkeit in unseren Haushaltsreden gilt der Tatsache, dass wir es für unumgänglich halten, Flächen und Grundstücke in strategisch günstiger Lage aufzukaufen sowie einen Gestaltungsbeirat einzuführen als Bindeglied zwischen Investoren und Stadtentwicklung.
Es wäre falsch zu glauben, dass wir mit der Gartenschau für die nächsten Jahrzehnte mit der Stadtentwicklung fertig wären. Uns beschäftigen natürlich da auch unsere Teilorte mit ihren ureigenen und wertvollen Charakteren, denen man sich im ISEK und darüber hinaus stärker widmen muss.
Um regional den Stellenwert unserer Stadt und der Ortsteile zu sichern, ist es wichtig, vorausschauend und innovativ der Frage Stadtentwicklung und Mobilität nachzugehen. Daher haben wir, zusammen mit anderen Fraktionen, das Thema Parkplatzmanagement und Mobilität in Gang gesetzt mit unserem Antrag zur Parkplatzsituation am Bahnhof. Wir werden hier zu Gunsten der Innenstadt und der Optimierung des ÖPNV und der Regionalbahn versuchen, den nächsten Schritt für eine noch lebenswertere Stadtmitte mit verkehrsreduzierten Flächen zu Gunsten von Wohnen und Arbeiten in Verbindung mit bestmöglichen Anschlüssen für Pendler und Gäste unserer Stadt zu gehen.
In diesem Zusammenhang möchten wir nochmals an die Zukunft der Mediothek erinnern. Es wurden zwar Sanierungsarbeiten durchgeführt, aber die Nutzungsfrequenz zeigt, wie wichtig die Mediothek für die Stadt Balingen und alle Ortsteile ist, weshalb wir eine tragbare Lösung für die Zukunft anmahnen. Dabei könnte die Attraktivität durch ein angegliedertes Lesekaffee noch erhöht werden.
Meine Damen und Herren,
noch einen Satz zu unseren Stadtwerken.
Bei unseren Stadtwerken sind wir mit dem Ausbau der Digitalisierung der Stadtverwaltung und Schulen durch die Zentralisierung der IT, der Dateninfrastruktur durch unsere Zollernalb Data und dem weiteren Ausbau der Fernwärme auf einem sehr guten Weg.
Die vorausschauenden langfristigen Strom- und Gasbeschaffungsstrategien unserer Stadtwerke haben sich in den zurückliegenden schwierigen Monaten gut bewährt. Die Versorgungssicherheit konnte gesichert werden und unseren Bürgern wurde dadurch viel Kummer erspart, obwohl auch wir nicht um eine deutliche Preiserhöhung herumkommen. Ein dickes Lob im Namen der Bürger!
Auch das Angebot im Bereich der E-Mobilität entwickelt sich stetig weiter. Unser Anspruch ist, dass wir ein flächendeckendes leistungsfähiges Netz an Ladestationen aufbauen und in absehbarer Zeit idealerweise mit Eigenstrom, erzeugt aus Sonnenenergie und Windkraft, versorgen. Mit dem Leuchtturmprojekt ELINA haben wir einen weiteren Schritt zur kabellosen Energieversorgung von Fahrzeugen gemacht. Ein erster Schritt hin zur Vision eines autonomen Shuttleverkehrs, nicht nur im Stadtbereich.
Ziel kann und sollte es sein, unsere Stadtwerke noch weiter zu einem Vollversorger in allen erwähnten Dienstleistungsbereichen zu entwickeln. Insbesondere hinsichtlich des Datennetzes setzen unsere Bürger große Hoffnungen auf die Stadtwerke.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
angesichts der zunehmenden Fülle der städtischen Aufgaben wächst unser Finanzierungsproblem im städtischen Haushalt. Das immer wieder gleiche Dilemma:
Einerseits müssen wir ständig steigende Aufgaben erfüllen, andererseits halten unsere Einnahmen damit nicht Schritt!
Wir werden im Laufe des Jahres nicht um eine intensive Diskussion herumkommen, wie unsere Einnahmesituation verbessert werden kann, wenn wir nicht wichtige Aufgaben dauerhaft zurückfahren wollen.
Wenn wir sehen, dass trotz aller Krisen in den letzten Jahren unsere Wirtschaftsbetriebe nach dem Corona-Einbruch jetzt wieder gut aufgestellt sind und die Auftragsbücher gefüllt sind und man im Bedarfsfall fast keine Handwerker bekommt, dürfen wir durchaus über eine Erhöhung der Gewerbesteuer nachdenken.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie immer ist die Haushaltsrede auch Anlass, allen ehrenamtlich tätigen Menschen in unserer Stadt für ihren Einsatz zu danken.
Dieser Dank gilt ebenso allen Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen, die mit ihrer Tatkraft, ihrem Mut und ihren Ideen dafür sorgen, dass immer mehr Menschen in Balingen einen sicheren Arbeitsplatz und damit ein gutes Ein- und Auskommen haben.
Ein besonderer Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung und der Stadtwerke, die in den letzten Jahren und Monate durch die vielen Krisen häufig völlig neue und ganz besonders herausfordernde Probleme zu bewältigen hatten.
Unser letzter, aber ganz besonderer Dank gilt Ihnen, Herr Eberle, für die umfassende Aufbereitung des komplizierten Zahlenwerks und die rasche Beantwortung unserer Fragen.
Ich schließe meine Haushaltsrede mit einem weiteren Zitat von Albert Einstein, der so treffend zum Thema „Veränderung“ und „Zukunft“ sagte: „Die reinste Form des Wahnsinnes ist es, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich was ändert.“
Namens der Fraktion der Freien Wähler erkläre ich, dass wir der Verabschiedung des Haushalts 2023 und dem Erlass der Haushaltssatzung zustimmen werden, ebenso dem Wirtschaftsplan der Stadtwerke und des Eigenbetriebs Gartenschau.
Herzlichen Dank.
Wolfgang Hallabrin
für die Fraktion der Freien Wähler.
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